31.8.2022
(1) Auf die Betreuungsbehörden wird nun vermutlich mehr Arbeit zukommen, als ursprünglich geplant, da auch etliche Einzelfallentscheidungen bzgl. der o.g. Ausnahmefälle getroffen werden müssen. Auch ist z.B. unklar, was genau unter einer „nutzbaren Berufserfahrung“ zu verstehen ist und in welchen Fällen von einer ausreichenden „entsprechenden mehrjährigen Erfahrung als ehrenamtlicher Betreuer“ i.S.d. § 7 Abs. 5 BtRegV auszugehen ist. Insoweit besteht die Gefahr, dass es zu regional unterschiedlichen – und deshalb teilweise als ungerecht empfundenen – Entscheidungen kommen und sich erst nach und nach durch die verwaltungsgerichtliche Rechtsprechung eine klare Linie herausbilden wird.
Auch sonst werden die vom Bundesrat durchgesetzten Änderungen zum Teil scharf kritisiert, so z.B. vom BGT e.V. (Pressemitteilung als PDF-Download) und vom BdB e.V. (Link zur Pressemitteilung).
(2) Tatsächlich war es ein zentrales Anliegen der Reform, dass jeder Berufsbetreuer garantiert über ein geprüftes Mindestwissen verfügt. Der Bundesrat geht davon aus, dass 2/3 aller Berufsbetreuer über einen Hochschulabschluss verfügen und davon wiederum 2/3 Jura, Sozialpädagogik oder soziale Arbeit studiert haben. Schon die vollständige Befreiung von Volljuristen sowie Absolventen der Studiengänge Sozialpädagogik und Soziale Arbeit vom Sachkundenachweis betrifft demnach 44% aller Betreuer. Da noch weitere Ausnahmen vorhanden sind, werden auch langfristig (selbst nach dem Ausscheiden aller Berufsbetreuer, die vor dem 1.1.2020 mit der Tätigkeit begonnen haben und schon deshalb aus Gründen des Bestandsschutzes keinen Sachkundenachweis erbringen müssen) ca. die Hälfte aller Berufsbetreuer ohne vollständig nachgewiesene Sachkunde tätig sein.
(3) Es ist auch kaum vorstellbar, dass alle Angehörigen dieser Berufsgruppen eventuell vorhandene Wissenslücken (bei Volljuristen sicherlich vor allem Kenntnisse über die Kommunikation mit psychisch kranken Menschen und die unterstützte Entscheidungsfindung, bei Angehörigen der sozialen Berufe vermutlich Rechtskenntnisse) nun freiwillig „in eigener Verantwortung“ schließen werden. Ein ganz wesentliches Ziel der Reform wird demnach kaum noch erreicht werden können.
(4 ) Unabhängig davon, wie man die finale Fassung der BtRegV beurteilt, ist es aber immerhin erfreulich, dass für alle Beteiligten nun Sicherheit besteht, was auf sie zukommt – Betreuer wissen, welche Voraussetzungen sie für eine Registrierung erfüllen müssen, die potentiellen Anbieter von Sachkundelehrgängen wissen, welche Anforderungen ihre Angebote erfüllen müssen und die Betreuungsbehörden bzw. die zuständigen Landesbehörden können sich auf die Registrierungsverfahren sowie die Zertifizierung der Anbieter von Sachkundekursen vorbereiten.